Ver.di zukunftsgerecht?

Kolleginnen in Schräglage: Tanzend durch den Saal oder Schlange stehen am Mikrofon?
Bun­des­kon­gress 2015


Bun­des­kon­gress tagt in Leipzig

Auf dem 5. Ordentlichen ver.di Bundeskongress vom 22. bis 28. September 2019 steht eine arbeitsreiche Woche bevor. Das gesellschaftspolitische Umfeld, in dem der Kongress stattfindet, ist alles andere als gut. So hat sich seit dem letzten Kongress vor vier Jahren nicht nur die Klassenauseinandersetzung in allen Bereichen verschärft. Auch die Angriffe von Seiten des Kapitals auf die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Ver.di) haben zugenommen.


Rund 1000 Dele­gierte liegen über 1100 Anträge vor. Dabei werden die Ver­treter der zweit­größten Ein­zel­ge­werk­schaft Schwer­punkte für Ver­bes­se­rungen der Arbeits­be­din­gungen, Bildungs‑, Sozial- und Ren­ten­po­litik, Jugend und Frie­dens­po­litik setzen. Kri­tisch ein­schätzen müssen, was in den letzten vier Jahren nicht erreicht wurde.

Seit 2015 hat die Gewerk­schaft mehrere neue Kampf­felder auf­machen müssen. Gelungen ist es, besonders in Dienst­leis­tungs­be­rufen mit hohem Frau­en­anteil, bei Erzie­he­rinnen und in der Pflege, höhere Gehälter und bessere Lohn­gruppen durch­zu­setzen. Dies gelang auch und gerade, weil ver.di die Bevöl­kerung mit den Arbeits­be­din­gungen in den Kitas, Pfle­ge­heimen und Kran­ken­häusern sen­si­bi­li­sieren konnte. Trotz anti­ge­werk­schaft­licher Medi­en­kam­pagnen und Stör­feuer der bür­ger­lichen Par­teien erhielt dieser gewerk­schaft­liche Kampf viel Soli­da­rität und Unter­stützung von der Straße durch Bür­ger­initia­tiven bei den Arbeitskämpfen.

Mit Hilfe einer breit ange­legten Kam­pagne und durch die Unter­stützung des Deut­schen Gewerk­schafts­bundes und seiner Ein­zel­ge­werk­schaften konnte erst­malig ein gesetz­licher Min­destlohn erreicht werden. In Leipzig werden die Dele­gierten sich auch mit den Angriffen des Kapitals und seiner Par­teien auf die Ände­rungen des Arbeits­zeit­ge­setzes und die noch immer wach­sende Zahl von Leih­ar­beitern beschäftigen.

Am Dienstag wird ein neuer Bun­des­vor­sit­zender gewählt. Frank Bsirske (67) wird nicht mehr kan­di­dieren. Bsirske führte ver.di seit deren Gründung 2001. Vor­ge­schlagen ist als Nach­folger Frank Werneke, bis­he­riger Bun­des­vor­sit­zender des Fach­be­reichs Medien, Kunst und Industrie. Werneke ist seit 2001 Mit­glied des ver.di-Bundesvorstandes, seit 2003 deren stell­ver­tre­tender Vor­sit­zender. Von 1998 bis 2001 war er Leiter des Fach­be­reichs 8 und Mit­glied des geschäfts­füh­renden Haupt­vor­standes der IG Medien.

Außerdem ent­scheiden die Dele­gierten über die Zusam­men­setzung eines 84-köp­figen Gewerk­schafts­rates. Wählen einen neuen Bun­des­vor­stand. Der wird aus neun Kol­le­ginnen und Kol­legen bestehen.

Ob und wie weit es gelingt, die zwi­schen Kapital und Arbeit unüber­brück­baren Gegen­sätze mit einer offen­si­veren Gangart zu beant­worten, könnte der Bun­des­kon­gress maß­geblich ent­scheiden. Setzt man weiter auf Sozi­al­part­ner­schaft und Lob­by­ismus, wie bisher? Oder besinnt man sich wieder mehr auf die eigene Kraft? Dazu benötigt man ein­heit­liche Kon­zepte und Ana­lysen, welche Rolle Gewerk­schaften im Kapi­ta­lismus ein­nehmen müssen. Ent­schei­dende Fragen, deren Ant­worten maß­geblich dazu bei­tragen werden, ob die Dienst­leis­tungs­ge­werk­schaft wirklich zukunfts­ge­recht auf­ge­stellt ist.

Herbert Schedl­bauer
 Foto: ver.di


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