Knüppel frei für die Polizei
Am 7. Juli dieses Jahres waren Wahlen in Hellas. Die linkssozialdemokratische Syriza von Ministerpräsident Alexis Tsipras bekam für ihren Verrat vom Volk eine Ohrfeige. Die Griechen hatten zuvor mit großer Mehrheit die Vorgaben aus der EU abgelehnt und mit «OXI» gestimmt. Tsipras aber knickte vor Brüssel ein. Damit war seine Glaubwürdigkeit weg.
Kyriakos Mitsotakis von der konservativen Nea Dimokratia (ND) wurde neuer Hoffnungsträger der Bourgeoisie. Auch die Medien in der BRD waren begeistert, denn Mitsotakis wollte zunächst die Wirtschaft heilen und sich dann an soziale Herausforderungen heranmachen. Aber schon wenige Tages nach der Kabinettsbildung wurden die Daumenschrauben angelegt. Ein Beispiel: die Abschaffung des «akademischen Asyls».
Das akademische Asyl ist eine Errungenschaft der Studenten- und insgesamt der Arbeiterbewegung. Es gibt seit 1859 dieses Gewohnheitsrecht in Griechenland. Seit 1982 wurde es gesetzlich geregelt. Demnach dürften Polizeikräfte auf dem Gelände und den Gebäuden von Hochschulen sich weder aufhalten, noch dürfen sie dort polizeiliche Maßnahmen durchführen. In Fällen der Verfolgung von Verbrechen, müssten sie die Genehmigung der Universitätsleitung holen.
Extremes Beispiel für die Verletzung des Universitätsasyls sind die Ereignisse währende der militärfaschistischen Diktatur 1973. Als die Junta mit einer massiven antidiktatorischen Studenten- und Volksbewegung konfrontiert wurde, ließ sie die Armee in die Technische Universität Athen einmarschieren und Dutzende von Arbeitern und Studenten ermorden.
Nach dem Fall der Junta 1974 wurde das Universitätsasyl erst 1982 gesetzlich eingeführt. 2007 wurde versucht, das Universitätsasyl wieder abzuschaffen, aber dies wurde durch Massenproteste von Studenten zurückgewiesen.
Im Jahr 2011 wurde das Gesetz Nr. 4009 von der sozialdemokratischen Regierung der PASOK verabschiedet, mit dem das Asylrecht abgeschafft wurde.
Die ND stimmte auch dafür – unter der Vorbedingung, dass das Universitätsasyl vollständig abgeschafft werden sollte. Im Februar 2012 griff die Polizei in die Universität Thessaloniki ein, um die Proteste des Verwaltungspersonals zu unterdrücken.
Nach sechs Jahren politischen Drucks und Proteste wurde das Universitätsasyl 2017 offiziell wieder unter SYRIZA wiedereingeführt. Der Weg der weiteren Abwertung des Asyls wurde aber fortgesetzt und der Weg zu seiner Abschaffung durch die ND im Jahr 2019 geebnet.
Das Zentralkomitee der KKE ordnet diesen Machtkampf in die allgemeine Politikwende in Griechenland ein: Es geht darum, das Regierungssystem beständiger und effizienter abzusichern. Das erfolge vor dem Hintergrund möglicher künftiger Gefahren, die aus der schwachen wirtschaftliches kapitalistischen Konjunktur und den schärferen imperialistischen Konkurrenzkämpfen ergeben.
«Ziel der Bourgeoisie ist es, eine ‹Universität-AG› zu schaffen, die eine Friedhofsruhe verlangt. Eine Universität, in der die Politik der Förderung der unternehmerischen Betätigung ungehindert umgesetzt wird. Eine Politik, die die Entwicklung von Wissenschaft und Forschung voll und ganz den Bedürfnissen der kapitalistischen Wirtschaft unterwirft.»
Ihre Entschlossenheit, das Universitätsasyl zu verteidigen, haben Studenten und Werktätige an der Athener Universität nach einem Aufruf der Kämpferischen Studierendenfront (MAS) kundgetan.
An der Kundgebung nahmen auch Gewerkschaften teil, die dem Aufruf des Bezirkssekretariats Attika der PAME folgten. Die Studenten hängten ein riesiges Transparent an der Fassade des Uni-Hauptgebäudes auf, auf dem es hieß:
«Hände weg vom Asyl – Mit unseren Studentenvereinigungen stärken wir unseren Kampf um die Verwirklichung unserer Träume, um unsere Ansprüche – gegen die Politik von Regierung – EU – Kapital!»
Mit den Stimmen der Regierungspartei Nea Dimokratia und der ultrarechten «Griechischen Lösung» konnte das Gesetz zur Abschaffung des Universitätsasyls im Paket mit anderen volksfeindlichen Gesetzen am 8. August verabschiedet werden.
Mit der Abstimmung im Parlament werden die Auseinandersetzungen nicht beendet sein. Die KKE wird ihren Widerstand nicht aufgeben. Eine Gruppe von 200 Professoren aus Athen, Thessaloniki und Kreta kündigte ebenfalls an, das akademische Asyl zu verteidigen
Uwe Koopmann
Foto: kke.gr